Reichelsheimer Geschichte

Kleine Geschichten und Anekdoten aus Reichelsheim

Nachfolgend finden sie eine Sammlung kleiner Geschichten, Anekdoten und Ereignisse. Alles hat sich in Reichelsheim zugetragen und macht das Dorfleben lebenswert - Dorfkindmomente?
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Der Mann mit der Sense

...ist schon eine kleine Geschichte wert. Viele Jahre lang befand sich dieses Bild auf der Nordseite des Gebäudes der heutigen Sparkasse. Beim Umbau dieses Gebäudes zur Sparkasse sollte der Sensemann durch einen Anbau verschwinden. Ein Reichelsheimer Bürger hatte Mitleid mit dem Sensemann. Er sollte ein neues Zuhause auf einer Hauswand in der Neugasse bekommen. Aber wie bringt man den Sensemann von einer Wand auf eine andere? Zunächst wurden Versuche gestartet, den Sensemann zu fotografieren und per Diaprojektor auf die Hauswand zu übertragen, welche aber scheiterten. Von dieser Aktion erfuhr ein pensionierter Maler und zkizzierte kurzerhand den Sensemann ab. Anhand seiner Skizze malte er den Sensemann in Originalgröße auf die Hauswand in der Neugasse. Eine tolle Leistung.

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So zeigte sich der Sensemann über Jahrzehnte auf dem Gebäude vor dem Umbau zur heutigen Sparkasse.

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In den 1990er Jahren fand er ein neues Zuhause auf einer Hauswand in der Neugasse.

Der Maibaum und der Storch

Im Jahre 1994 wollte der damals neu gegründete 'Gewerbering Reichelsheim e.V.' das Gewerbe in unserem Städtchen etwas mehr in die Öffentlichkeit rücken. Man setzte auf eine alte Tradition auf und stellte erstmals wieder einen Maibaum auf den Marktplatz vor dem Rathaus. Der Maibaum trug Schilder mit Stadtwappen, Bilder von den Stadtteilen und Logos verschiedener Reichelsheimer Gewerbebetriebe. Begleitet wurde das Aufstellen des Baumes von einem Sternmarsch mehrerer Musikkapellen durch die Reichelsheimer Straßen mit Ziel Marktplatz. Anschließend feierte man rund um den Maibaum ein gelungenes Marktplatzfest.

Nach Ansicht einiger Reichelsheimer Schelme handelte es sich bei dem Baum aber nicht um einen Maibaum, sondern eher um einen "Mai-Mast" (wegen der fehlenden Baumspitze). Die Männer von der Feuerwehr hatte eine lustige Idee: Mit Hilfe einer langen Feuerwehrleiter monierten sie kurzerhand ein altes Wagenrad mit einem aus Reisigen gestalteten Storchennest auf dem Maibaum. Auf dem Nest thronte ein täuschend echter Plastikstorch. Dieser Anblick erstaunte am nächsten Tag natürlich so manchen Reichelsheimer Bürger. War das ein echter Storch? Aus dieser Entfernung sah das wirklich täuschend echt aus. In den 90er Jahren waren die Störche bei langem noch nicht so verbreitet wie heute z.B. im Bingenheimer Ried. Nach wenigen Tagen wussten die meisten über den Plastikstorch Bescheid - der noch lange für Gelächter sorgte.

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Er war schon hoch, der Maibaum. Es bedurfte der langen Feuerwehrleiter, um das Nest und den Storch (der hier auf dem Bild gerade nach oben gezogen wird) zu montieren.

Als das Christkind nach Reichelsheim kam

Es trug sich zu im Jahre 1999. '20 Jahre Christkindlmarkt in Reichelsheim' feierte die damalige 'Junge Frauengruppe' im Dezember. Das Rathaus war zu einem riesigen Adventskalender umgebaut worden. Fast jedes Fenster wurde mit einem "Türchen" und einer Nummer (1-24) versehen. Ab dem 1. Dezember wurde jeden Abend ein Türchen geöffnet. Dahinter versteckten sich verschiedene Preise, die von ortsansässigen Firmen gespendet und anschliessend verlost wurden.

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Das Reichelsheimer Rathaus als 'Riesen-Adventskalender'.

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Am 23.Dezember sollten sich nun die letzten beiden Türchen (23+24) öffnen. Während das 23. Türchen (wie alle anderen vorher auch) noch von Hans-Richard Hitz geöffnet bzw. aufgeschraubt wurde, schwebte wenig später das Christkind zu den Klängen "Vom Himmel hoch da komm ich her" übers Rathaus, landete vor dem 24. Türchen und öffnete es...

Spaß beiseite. Es waren die Gebrüder Hitz, die sich dieses "Highlight" hatten einfallen lassen. Hierzu hatte sich Hans-Richard Hitz als Christkind verkleidet. Mit einem Sicherheitsgurt unter seinem weißen Kleidchen wurde er an einem von einem Gewerbebetrieb kostenlos zur Verfügung gestellten Kran angeleint. Der Kran konnte aufgrund seines langen Kranauslegers geschickt in einem benachbarten Hof versteckt werden. Zu "Von Himmel hoch da komm´ ich her", gespielt vom Musikverein Reichelsheim, ließ ihn der Kranführer langsam und vorsichtig übers Rathaus in Richtung des 24.Türchens schweben.

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Vorm Rathaus und den Augen vieler staunender Kinder angekommen, öffnete das Christkind das 24.Türchen (die Eingangstür des historischen Rathauses), Nebelschwaden stiegen auf und die Hauptpreise der Verlosung wurden langsam sichtbar. Das Christkind winkte noch kurz und verschwand im Rathaus. In Reichelsheim gibt es seither einige Kinder und auch Erwachsene, die Christkind wirklich schon einmal gesehen haben...

Fünf Jahre später sollte das Christkind abermals nach Reichelsheimer kommen. Die 'Junge Frauengruppe' feierte den 25. Reichelsheimer Christkindlmarkt und hatte das Rathaus abermals in einen Adventskalender verwandelt. Und wieder kam das Christkind. Aber dieses mal vom Kirchturm. Alles über diese Veranstaltung finden Sie hier.


Der Schäfer

Im Spätherbst konnte man ihn in den Reichelsheimer Feldern und Wiesen sehen: Werner Ströbel mit seinen rund 400 Merino-Landschafen und den altdeutschen Schäferhunden. 57 Jahre lang zog er mit der Herde aus Mainhausen-Zellhausen zum Grasen im Herbst auf die Wiesen rund um Reichelsheim, Weckesheim und Heuchelheim. Drei Tage brauchen die Schafe, um die rund 60 Kilometer Zellhausen in die Reichelsheimer Gemarkung zu ziehen. Den Reichelsheimern ist Werner Ströbel bestens bekannt. "Hier kennt man mich besser als zu Hause", erzählt er selbst über sich. Viele besuchten ihn in den Wiesen während seines fast achtwöchigen Aufenthaltes. Versorgt wurde Ströbel von den Wiesenbesitzern: Frühstück, Mittagessen, Abendmahlzeit und Badmitbenutzung. Es hatte sich im Laufe der Zeit eingebürgert, dass Ströbel immer dort, wo er nachts die Schafe einpferchte, verpflegt wurde. Dabei nahm sich Ströbel viel Zeit für Gespräche mit seinen Gastgebern. Sie kennen sich oft schon von Kindesbeinen an; Familiengeschichten werden ausgetauscht, über Landwirtschaft, Gott und die Welt wird philosophiert und über so manch vergangene Zeit gesprochen. Abends ging es zurück ins Feld, in den Wohnwagen. Ohne Strom, nur mit Gasheizung. 2005 kam Werner Stöbel das letzte Mal mit seinen Schafen in die Wetterau.

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Werner Ströbel, wie ihn viele Reichelsheimer kennen, abgelichtet 2001 von Ines Dauernheim.


Traditionelle Neugässer Kerb

Über 13 Jahre lang feierten die Neugässer Anwohner die Neugässer Kerb - ein Straßenfest. Angefangen hat alles mit einem bei einer Wette gewonnenen Faß Bier. Man setzte sich mit einer Bierzeltgarnitur sonntags auf die Straße vor Haus Nr.11 und trank das Bier, feierte den Gewinn. Wer vorbei kam, bekam ein Glas Bier. Der Idee folgend, dies im nächsten Jahr zu wiederholen, wurde in Höhe der Hausnummern 9/10/11/12 seit diesem Tag immer am ersten Sonntag im August ein Straßenfest gefeiert. Die Neugässer Kerb war geboren.

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1986, als die Neugässer Kerb noch Straßenfestcharakter hatte, spielte der Reichelsheimer Musikverein auf.

Veranstalter waren die Familien Köhler/Petek, Hitz, Meiß, Eckhold und Marloff. Es blieb nicht nur bei Essen und Trinken. Nein, jedes Jahr haben sich die Neugässer etwas anderes einfallen lassen. Da waren beispielsweise die Gaudiwettkämpfe: Der eigens für die Kerb gebaute "Hau den Lukas", Traktor-Tauziehen, Rundballen-Rollen und vieles mehr. In einem Jahr wurde die Straße sogar in einen Strand verwandelt und ein Springbrunnen aufgebaut. Die Neugässer hatten immer neue Ideen. Die Getränke waren 'kostenfrei', finanzierten sich über Spenden. Das Essen wurde zu günstigen Preisen verkauft. So trug sich die Veranstaltung über Jahre. Erst als die Neugässer Kerb immer mehr Gefallen im Ort fand und immer mehr "Nicht-Neugässer" kamen, war die Veranstaltung finanziell nicht mehr tragbar und hatte den Charme eines Straßenfestes verloren.

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Die 13. Neugässer Kerb 1991 semiprofessionell mit Bierwagen.

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Hier sitzen die, die immer hier sitzen: Die älteren Anwohner der Neugasse auf 'ihrer' Bank vor Haus Nummer 11.

Polnische Feldhasen in Reichelsheim

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Wer sich in Reichelsheim mit einem der alten Reichelsheimer Jägern unterhält, wird spätestens bei einer Runde Schnaps etwas über polnische Hasen erfahren, die irgendwann mal im Reichelsheimer Feld ausgesetzt wurden. Was eigentlich nur als Aprilscherz gedacht war, wurde zu einem Ermittlungsfall des Zolls.

An einem 1. April irgendwann in den 80er Jahren konnte man in der Wetterauer Zeitung lesen, dass eine Ladung polnischer Feldhasen am Frankfurter Flughafen gestrandet sei. Aus unerklärlichen Gründen konnte dort weder jemand zuordnen, wo die Hasenfracht hingeschickt werden sollte, noch wo sie überhaupt herkam. Ein am Flughafen bekannter Reichelsheimer Jäger wurde kontaktiert und gefragt, ob man die Hasen nicht im Reichelsheimer Feld aussetzen könnte, bevor diese am Frankfurter Flughafen verhungern. Da sprach aus Jägersicht natürlich nichts dagegen. Kurzerhand wurden die polnischen Hasen am Flughafen abgeholt. Sie erhielten eine spezielle Erkennungsmarke am Ohr und wurden in der Feldgemarkung Reichelsheim ausgesetzt. Außerdem wurde ein Abschussverbot ausgesprochen - erkennbar waren die Hasen ja an der Ohrmarke.

Soweit der Aprilscherz, über den sich viele köstlich amüsierten. Allerdings bekam der Zoll einige Tage später Wind von der Sache. Hier war der 1.April bereits vergessen. Nicht schlecht staunten die Reichelsheimer Jäger, als plötzlich die Polizei bzw. der Zoll vor der Tür stand und genauere Nachforschungen über die 'polnischen Feldhasen' anstellen wollte. Zum Glück konnte die Geschichte als Aprilscherz bewiesen werden und niemand musste sich für gestrandete polnische Feldhasen verantworten, die es weder in Reichelsheim, noch am Frankfurter Flughafen gegeben hatte.



Bilder: Alexander Hitz (sofern nicht anders gekennzeichnet)




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