Reichelsheimer Nachrichten
Meldung vom 15.02.2023
Die 'grüne Lunge' von Reichelsheim soll leben - BUND und Bürgerinitiative wollen das 'Wäldchen' retten
Mitten in Reichelsheim, zwischen Schule, Kindergarten und Horloff gibt es das Reichelsheimer Wäldchen, ein 0,4 Hektar großer Baumbestand, der eine erstaunliche Artenvielfalt aufweist. Aktuell ist von der Stadtpolitik geplant dieses 'Wäldchen' für den Bau eines Kindergartens zu entfernen. Dazu hatte nun der BUND zu einem Fachvortrag ins Weckesheimer Bürgerhaus eingeladen.Viele Reichelsheimer, der BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz) und die Bürgerinitiative 'Rettet das Reichelsheimer Wäldchen!' sind damit nicht einverstanden. Aus ihrer Sicht gibt es viele Gründe dieses Biotop zu erhalten. Deshalb lud der BUND am 10.Februar 2023 zu einer Fachveranstaltung ins Bürgerhaus Weckesheim ein, um auf dem Hintergrund von Fakten alternative Standorte zu prüfen. Gekommen waren viele Bürgerinnen und Bürger Reichelsheim, aber auch Bürgermeisterin Lena Herget-Umsonst sowie Mitglieder des Magistrats und des Parlaments.
Die Vorsitzende der lokalen BUND-Gruppe Dr. Monika Rhein begrüßte die Gäste und betonte, dass es dem BUND als Veranstalter um ein sachbezogenes, faires Gespräch gehe. Als Pädagogin ergänzte sie, dass ein Wäldchen wie dieses ein pädagogisches Kleinod sei, das Kindern ein wertvolles Lebens- und Erfahrungsfeld biete, das kein perfekt ausgestatteter Kindergarten ersetzen könne. Warum sollen Kinder als erstes erfahren, dass für ihre Kita ein wertvoller Baumbestand für ihre Zukunft geopfert wurde? Man müsse nach einer Möglichkeit suchen, den geplanten Kindergarten nicht auf, sondern in der Nähe des Wäldchens zu bauen, um es so weiterhin als Erlebnisraum nutzen zu können.
BUND schlägt Naturschutz für das Wäldchen vor
Im Anschluss schilderte BUND-Kreisvorsitzender Dr. Werner Neumann den aktuellen Stand der Planung. Noch gäbe es keinen gültigen Bebauungsplan, auch eine Offenlegung stehe noch bevor. Es wäre der richtige Zeitpunkt für eine Denkpause. Der BUND habe vorgeschlagen, das Wäldchen als GLB (geschützten Landschaftsbestandteil) auszuweisen, eine entsprechende fachliche Begründung sei bereits vorbereitet. Da die Stadt den Antrag nicht entgegen genommen habe, würde sich der BUND nun ans Stadtparlament wenden. Ein GLB sei ein kleines Naturschutzgebiet. Das Wäldchen erfülle diese Kriterien, da es eine wichtige Klimafunktion habe, insbesondere im Sommer. Außerdem sei das Wasserhaltevermögen des Wäldchens immens: Es kann 1,2 Millionen Regenwasser speichern. Dies hat positiven Folgen für gute klimatische Bedingungen in den Einrichtungen um das Wäldchen herum. Neumann eräuterte weiter die 24 verschiedene Baumarten sowie 18 Vogelarten, die im Wäldchen seit Jahren heimisch sind. Neumann fragte, warum die Alternativstandorte bislang alle als ungeeignet bewertet worden sind. Aus seiner Sicht sind die genannten Gründe wie Hochwassergebiet, Nutzung einer gemeinsamen Heizungsanlage mit dem sanierungsbedürftigen Bürgerhaus und Probleme mit der Anfahrerschließung nicht nachvollziehbar und sollten unter heutigen Bedingungen überprüft werden. Der ökologische Wert des Wäldchens war im Bebauungsplan aus dem Jahr 1994 noch berücksichtigt worden, verbunden mit klaren Pflegevorschriften. Es sei daher die Pflicht der Stadt, das Wäldchen zu pflegen statt zu zerstören.
Was kostet die Waldrodung?
Rudolf Zentgraf, Vertreter der örtlichen Bürgerinitiative erläuterte differenziert, dass das bereits seit 2018 existierende Bodengutachten im Auftrag der Stadt - das die BI inzwischen einsehen konnte - klar mache, dass bei einer Bebauung mindestens ein zwei Meter tiefer Aushub, eventuell auch mehr, erforderlich sei. Die Stämme vieler Bäume haben mehr als 50 Zentimeter Durchmesser und Wurzeltiefen von zwei bis zu zehn Metern. Ein zwei Meter tiefer Aushub schlage mit 484.000 Euro zu Buche. Bei jedem weiteren Meter kämen rund 250.000 Euro dazu. Diese Kosten könne man an einem anderen Standort sparen.
Wann ist ein Wald ein Wald?
Forstwirt Klaus Seipel erläuterte zu dieser Frage, dass die Pflanzen- und Tiervielfalt sowie die Existenz vieler ausgewachsener Bäume vollkommen ausreiche, um dieses Gebiet als Wald zu bezeichnen. Fällen von Wald braucht eine Genehmigung der Forstbehörde. Da Reichelsheim ansonsten nur im Ortsteil Blofeld Waldflächen vorhalten kann, ist eine Genehmigung der Forstbehörde eher unwahrscheinlich. Die Auffassung der Stadt, dass es sich um keinen Wald handelt, sondern nur um eine lose Ansammlung von Bäumen und Büschen, ist nicht korrekt. Auf Anfrage des BUND hat auch das zuständige Forstamt in Nidda schriftlich mitgeteilt, dass das 'Wäldchen' ein Wald im Sinne der Waldgesetze ist, zumal es auch ein typisches Waldklima aufweist und jede mit Forstpflanzen bewachsene Fläche als Wald gelte. Seipel betonte, dass daher zusätzlich ein aufwändiges Antragsverfahren mit der Schaffung einer mindestens gleich großen Waldfläche erforderlich sei.
In der folgenden Diskussion hatte auch Bürgermeisterin Herget-Umsonst Gelegenheit ihren Standpunkt ausführlich zu begründen. Sie erläuterte die verschiedenen Abwägungsprozesse im Parlament, wo sie alle nach bestem Gewissen ihre Entscheidungen getroffen hätten. Man müsse in der Politik eben demokratische Entscheidungen, die eine Mehrheit getroffen hat, akzeptieren und mittragen. Sie plane zeitnah den nächsten Schritt. Dann haben die Verbände Gelegenheit, Einsprüche zu benennen. Neue Erkenntnisse werde sie gerne in den Gremien einbringen. Dem entgegnete Neumann für den BUND, dass es gerade Kennzeichen der Demokratie sei, sich neuen Überlegungen öffnen zu können und nicht an alten Fehlern festzuhalten. Beschlüsse könnten daher auch geändert werden.
Neue Vorschläge für die Kita
Die folgende sehr lebhafte Diskussion war gespickt von Vorschlägen, wie einer zweistöckigen Bauweise, mit Passivhausstandard, denn dann wäre der Standort zweitrangig. Man könne die alten Kitas sanieren und solange Container aufstellen und das Bürgerhaus als Mehrzweckraum nutzen, auch wenn die Kinder ein paar Schritte laufen müssen. Man könne dann das Wäldchen sogar vergrößern und es in ein Waldkindergartenkonzept einbinden. Zur jetzigen Verkehrserschließung wurde von den Teilnehmern geäußert, dass bei einem sechsgruppigen Kindergarten die jetzigen Zufahrtswege wohl nicht ausreichen würden, da jetzt schon mit der Schule und dem kleinen Kindergarten die Kapazitätsgrenzen erreicht seien.
Zum Abschluss der Veranstaltung wurden alle Gäste eingeladen, gelbe Bänder zu beschriften, die am Folgetag im Zusammenhang mit einer Müllsammelaktion im Wäldchen dort an die Bäume gehängt werden sollten.
Sollten die Pläne der Stadt weiterhin die Rodung des Wäldchens vorsehen, ist der BUND bereit alle möglichen Schritte einzuleiten, um das zu verhindern. Neumann bat daher um Spendenzusagen, die man nur abrufen würde, wenn es anders nicht gehen würde. "Daher steht nun in nächster Zeit eine intensive Prüfung von Alternativstandorten für die Kita an, denn dann könne die Kita schneller kommen", so Neumann.

Mit gelben Bändern wollen Mitglieder des BUND und der Bürgerinitiative 'Rettet das Reichelsheimer Wäldchen' an den Bäumen des Wäldchen ein Zeichen für dessen Erhalt setzen.
Quelle: Gudrun Neher, BUND Florstadt-Reichelsheim vom 15.02.2023